Franzobel
(Autriche, 1967)





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Biographie


Franzobel, geboren 1967 in Vöcklabruck, ist einer der populärsten und polarisierendsten österreichischen Schriftsteller. Er erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter 1995 den Ingeborg-Bachmann-Preis und 2002 den Arthur-Schnitzler-Preis. Bei Zsolnay erschienen zuletzt die Romane Lusthaus oder Die Schule der Gemeinheit (2002), Das Fest der Steine oder Die Wunderkammer der Exzentrik (2005), Luna Park. Vergnügungsgedichte (2003), Liebesgeschichte (2007), Österreich ist schön. Ein Märchen (2009) und Was die Männer so treiben, wenn die Frauen im Badezimmer sind (2012).


Poème



Das Meer

Das Meer, die See, der Ozean
… liegt nur da und gähnt
Wie selbstverständlich kleine,
mit weißen Hauben bemützte
Wellen aus dem Grund.
Das Meer, die See, der Ozean
ist in vielen Sprachen
Weiblich
Auch im Deutschen
Weil aus ihr, der See, alles kommt
Auch wir, die wir nichts zurückgeben
Außer Schmutzreste und Denken
Und Wörter wie Atlantik und Pazifik.
Das Meer.
Mal ist es schwarz, mal gelb, mal rot, mal mittelmäßig und mal tot
Dabei ist dieses Meer, die kleine Lake,
Ein Riese, der Siesta hält.
Sagt nichts, liegt nur da und gähnt,
tiefgrün bis türkis
hört sich alles an:
Beichten, Klagen, Wünsche und Gebete
Palmen, Kokosnüsse und Walfängergeräte.
Und steckst du deine Füße rein
Knabbern daran Fischchen.
Mit einer Taucherbrille siehst du,
Seesterne schmiegen sich im Sand
Muscheln, Einsiedlerkrebse und wenn du Glück hast,
einen kleinen Rochen.
Alte Sonnenölflaschen, Moosbewachsen,
Schwimmflügel und alte Bojen.
Am Ufer urige Lokale für G
egrillten Octopus, Spaghetti frutti di mare,
Austern, Cozze, Vongole.
Das Meer. So seicht, so ruhig, so leer.
An seinen Rändern waten Menschen
Warten auf die Sonne
Von „Tsunn scheint scho sche“
Bis zum Sundowner down under,
stehen Fischer, Urlauber, Eisesser
und reizen mit Strandliegen
für 6 Euro und immer gleichen Posen
den Riesen in der Siesta,
der die meiste Zeit nur liegt und schläft
nichts preisgibt von seinen Geheimnissen,
vom Seemannsgarn
tausendfach verknoteter Geschichten.
Ist er etwa ausgeräumt und leergefischt?
Wehe aber, wenn er gekitzelt,
einmal die Geduld verliert,
Dann überwirft er sich,
wird stählern grau vor Zorn.
am Ufer knirschen Steine
und weiter draußen
klopft er sich auf die Schenkel,
peitscht und tobt,
schlägt Purzelbäume um sich selbst vor Lachen, Hohn
zieht Blitze an und Schiffe
in den Schlund, wo Ungeheuer
abscheuliches Getier versteckt
sich seit Millionen Jahren hält.
Der Riese aber pfeift mit eingerollter Zunge
ordert Opfer, Opfer und ist ganz
in seinem Element.
Damit er morgen wieder sanft und still
Um die Erde gähnen kann.
Das Meer, die See, der Ozean So blau, so grau, so überhaupt
so
Schaut es aus
Vom Ufer aus, vom Ufer aus
Weil sonst ufert es aus,
Wird, wenn man raus sich wagt,
wo man nichts mehr hat,
an das man sich noch halten kann,
nur das irgendwann Gedachte
das auf hoher See was gilt?
Uferlos.
Wird, wenn man keinen Halt mehr hat
Kein Land, kein Ufer
Immer nur See und See und See,
du speibst dich an
bei so viel Wasser
übergibst ihm dich
und hoffst
und betest
große Wörter
weil du selbst so klein bist
unbedeutend, nichtig
das zeigt dir
das Meer, die See, der Ozean
sobald du draußen bist
im Wahn.